D.H. Lawrence Wir brauchen einander Nottingham Bergwörterbuch
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Die
Schwiegertochter
von D.H. Lawrence
Schauspielhaus Bochum, 23 November 1972
O ja, der Schwung des Frühlings ist stark genug, Um die
Erdkugel emporzuschleudern wie einen Ball, der munter auf einem Wasserstrahl
hüpft; So wie ein kleiner Ball aus Zelluloid, den ein Wasserstrahl tanzen
läßt, Nach dem man schießen kann, zehn Pfennig der Schuß, In einer Jahrmarktbude
. . .
Die
Bergleute hatten Sinn für Schönheit. Sie hatten keinen Tag-Ehrgeiz und keinen Tag-Intellekt.
Sie vermieden den streng rationalen Aspekt des Lebens. Nicht einmal die Löhne waren
ihnen wirklich wichtig. Der Bergmann ging in die Kneipe und trank, um die Vertrautheit
mit seinen Kameraden fortzusetzen. Sie redeten endlos, aber mehr von erstaunlichen
und wunderbaren Dingen, sogar in der Politik, als von Tatsachen. Gerade vor den
harten Tatsachen, der Ehe, dem Geld und Haushaltsnörgeleien flohen sie aus dem Haus
in die Kneipe, aus dem Haus in die Grube.
Der Bergmann durchstreifte die Umgebung mit seinem Hund und suchte nach Kaninchen,
nach Nestern, nach Pilzen, nach irgendetwas. Er liebte die Landschaft, das kritiklose
Empfinden für sie. Oder er hockte auf den Fersen und beobachtete — irgendetwas oder
nichts. Er war nicht verstandesmäßig interessiert. Für ihn bestand das Leben nicht
aus Tatsachen, sondern nur aus Rhythmus. Oft liebte er seinen Garten, empfand echte
Liebe für die Schönheit der Blumen. Ich habe das bei Bergleuten oft erlebt.
Die Liebe zu Blumen ist allerdings eine irreführende Sache. Die meisten Frauen
lieben Blumen als Besitz und als Schmuck. Sie können nicht einfach eine Blume ansehen,
darüber nachdenken und weitergehen. Wenn sie eine Blume sehen, die ihre Aufmerksamkeit
erregt, so müssen sie sie sofort pflücken, abreißen. Besitz! Ein Besitz! Etwas,
das mir hinzugefügt wird. Oft habe ich einen Bergmann gesehen, der in seinem Hintergarten
stand und eine Blume ansah mit jener seltsamen abwesenden Betrachtung, die der Ausdruck
des echten Schönheitsbewußtseins ist. Es ist nicht einmal Bewunderung oder Freude
oder Entzücken oder irgendeins von den Gefühlen, die oft im Besitzinstinkt wurzeln.
Es ist eine Art Betrachtung, die den werdenden Künstler kennzeichnet.
Die wirkliche Tragödie Englands ist in meinen Augen die Tragödie der Häßlichkeit.
Das Land selbst ist so lieblich; das von Menschen geschaffene England ist so abscheulich.
Ich weiß, daß der normale Bergmann einen besonderen Sinn für Schönheit hatte - noch
in meiner Jugend - der in dem intuitiven und instinktiven Bewußtsein wurzelte, das
in der Grube entstand. Die Tatsache, daß er auf kalte Häßlichkeit und rohen Materialismus
stieß, wenn er ans Tageslicht kam, an seinen eigenen Tisch, tötete etwas in ihm
und verdarb ihn gewissermaßen als Mann.
In der Generation meines Vaters mit dem Hintergrund des alten wilden England
und der mangelnden Bildung wurde der Mann noch nicht unterdrückt. Aber in meiner
Generation wurden die Jungen, mit denen ich zur Schule ging und die jetzt Bergleute
sind, niedergedrückt mit all dem Getöse der Internate, mit Büchern, Kino, Pfarrern
und dem nationalen und menschlichen Bewußtsein, das auf der Tatsache herumhämmerte,
daß materieller Wohlstand das höchste aller Dinge sei.
Obwohl es vielleicht niemand erkannte, war es die Häßlichkeit, die im 19. Jahrhundert
den Geist des Mannes verriet. Das große Verbrechen, das die besitzenden Klassen
und die Gründer der Industrie in der glänzenden viktorianischen Zeit begingen, war,
die Arbeiter zu verurteilen zu Häßlichkeit, Häßlichkeit, Häßlichkeit: Gemeinheit
und Formlosigkeit und häßliche Umgebung, häßliche Ideale, häßliche Religion, häßliche
Hoffnung, häßliche Liebe, häßliche Kleidung, häßliche Möbel, häßliche Häuser, häßliche
Beziehungen zwischen Arbeitern und Arbeitgebern. Die menschliche Seele braucht Schönheit
dringender als Brot. Das mittlere Bürgertum jubelt, wenn sich die Bergleute Klaviere
kaufen — aber was ist ein Klavier anderes als ein blinder Griff nach Schönheit?
Für die Frau ist es ein Besitz und ein Möbelstück und etwas, worauf man stolz sein
kann. Aber seht, wie alte Bergleute spielen lernen, seht wie sie mit seltsam aufmerksamen
Gesichtern zuhören, wenn ihre Töchter das „Gebet einer Jungfrau" spielen-dann seht
ihre blinde, ungestillte Sehnsucht nach Schönheit.
Mrs Gascoigne |
Sonja Karzau |
Joe |
Jürgen Prochnow |
Mrs. Purdy |
Tana Schanzara |
Minnie |
Hannelore Hoger |
Luther |
Wolfgang Schneider |
Regie |
Peter Gill |
Bühnenbild |
John Gunter |
Kostüme |
Deirdre Clancy |
Assistierender Regisseur |
Gerd-Theo Umberg |
Souffleuse |
Mara Klaus |
Inspizent |
Gerd Beiderbeck |
Masken |
Hermann Stork |
Technische Leitung |
Josef Graf |
Beleuchtung |
Egon Jendrian |
Ton |
Hans Schlensak |
Kostümrealisierung |
Alois Bürger |
Aufführungsrechte |
The Literary Agent |
Bühnenvertrieb |
Felix Bloch Erben |
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